Kontaktdynamik, die Dynamik eines Systems am Beispiel eines Kinderautositzes. Nachfolgend wird das System Kinderschale wie z.B. Pebble oder CabrioFix in Kombination mit der Aufnahmebasis FamilyFix betrachtet. Zunächst wird das Kippen der Basis zusammen mit der Babyschale beim Auffahren eines Verkehrsteilnehmers auf das eigene Auto untersucht.
Anschließend werden zwei kleinere beobachtete Komfort Schwachstellen beschrieben, die die Fahrten mit unserem ca. 1 Jahr alten Kind schwierig gestalten.
Das Isofix-Klick-System ist vom Montagekomfort sehr angenehm. Für Kleinkinder ein gutes System. Langjähriger Automotive und Luftfahrt-Erfahrung zeigt jedoch klar, dass jede Schnittstelle die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems reduziert oder redundant/mehrfach ausgelegt sein sollte. Zudem ist meines Erachtens die sichere Einrastung im Alltagsbetrieb nicht immer sicher zu stellen und vor allem schlecht kontrollierbar. Gerade auf Grund der zahlreichen Einrastungen (Aufnahmebasis FamilyFix im Auto und Kindersitz auf Basis) werde ich die FamilyFix nicht in Kombination mit dem Kindersitz verwenden, sondern einen neuen separaten Kindersitz mit Dreipunktgurt-Befestigung kaufen.
Der Artikel beschränkt sich auf Beobachtungen im Alltagsbetrieb und einfachen mechanischen Betrachtungen. Dabei reichen Grundlagen aus der Technischen Mechanik aus, um die Schwachstellen des Systems zu erkennen und ein persönliches Fazit zu ziehen.
Thema Kinderautositz, die Kontaktdynamik zwischen Marketingversprechen und Alltag
Der Kinderautositz, ein Thema das von Anfang an Diskussionsbedarf zwischen meiner Frau und mir generierte. Dabei haben wir nicht gespart, auf Marke und Qualität gesetzt. Bereits direkt nach der Geburt, noch auf dem Parkplatz vor der Geburtsklinik, das gerade geborene Kind auf dem Arm haben wir angefangen zu diskutieren, (solange und offensichtlich auch so emotional) bis eine besorgte Passantin fragte, ob sie uns helfen könne... 😉
Als Eltern ist uns natürlich die Sicherheit des Kindes sehr wichtig und Grund zur Diskussion. Jedoch wenig überraschend, die Perspektive und Herangehensweise ist völlig unterschiedlich. Meine Frau befolgt akripisch die Hinweise in den Betriebsanleitungen z.B. wie stark der Gurt gespannt werden muss. Dagegen versuche ich eher Dinge mit gesundem Menschenverstand und aus gesamtheitlicher Sicht herzuleiten, oder weniger prahlerisch, eben aus Sicht des Ingenieurs. So sehe ich z.B. primär das Kind, das auch bei ordnungsmäßig gespannten Gurt unbeschadet bleibt, Raum zum Atmen haben muss, nicht wie in einer Ballenpresse zusammengeschnürt wird.
Inzwischen ist unser Kind knapp 1 Jahr alt, 6 kg schwer und hat relativ lange Beine. Das Kind fühlt sich nicht mehr wohl in der Schale, kann aber auch noch nicht sitzen. Lange Fahrten vermeidend, machen wir durchschnittlich alle 30 Minuten nun eine Pause, nehmen das Kind aus dem Sitz.
Dadurch, dass das Kind schwerer wird, habe ich mal eine Betrachtung zu Kippsicherheit im Fall eines Auffahrunfalls durch einen Verkehrsteilnehmer durchgeführt. Die FamilyFix-Basis ist nach vorne hin nur am Boden abgestützt. Zusammen mit den höhe liegenden Schwerpunkten wird bei einer Beschleunigung von hinten das ganze System nach hinten kippen. Dies ist meiner Meinung nach eine Schwachstelle des Systems, im Fall dass ein Verkehrsteilnehmer auf das eigene Auto auffährt. Zum Verhalten des FamilyFix-System mit Kinderschale beim Auffahrunfall durch einen anderen Verkehrsteilnehmer habe ich bisher auch keine Prüfungen, Tests oder Videos finden können.
Sicherheitsrelevante Schwachstelle: die Basis FamilyFix mit Babyschale Pebble beim Auffahrunfall
Kontaktdynamik am Beispiel eines Kindersitzes. Die tiefe Aufnahme, der Anschlag des Sitzes nach hinten und die höher liegenden Schwerpunkte führen bereits bei einer relativ geringen Beschleunigung (ab der 1,9-fachen Erdbeschleunigung) zum Kippen des Kindersitzes nach hinten. Diese Beschleunigung wird bereits bei einem Auffahrunfall mit geringen Geschwindigkeiten von 20 km/h erreicht. Das zeigt eine einfache mechanische Betrachtung.
In der Abbildung sind die waagrechten Massenträgheitskräfte durch die Beschleunigung a, sowie die senkrechten Gewichtskräfte durch die Erdbeschleunigung g eingezeichnet. Die Gewichtsmassen und Abmessungen wurden am bestehenden System gemessen. Unser Kind wiegt aktuell 6 kg, die erlaubte Gewichtsgrenze liegt bei 16 kg. Annahmen: Das System kippt um den Fixierarm im Punkt A, die Fixierarme der FamiliyFix-Base sind durch die Beschleunigung von hinten bis auf Anschlag eingefahren. Das System wird 2-dimensional und translatorische Bewegungen der Massenpunkte betrachtet.
Das Ergebnis für die genannten Randbedingungen und die getroffenen Annahmen. Die Basis zusammen mit der Babyschale wird bei einer Beschleunigung ab 18,7 m/s², oder bei 1,9-fache Erdbeschleunigung nach hinten kippen, bis der Haltebügel gegen die Rücksitzlehne schlägt und ein weiteres Kippen verhindert, wie in der unteren Abbildung schematisch dargestellt. Wenn anstatt der Babyschale Pebble der Kindersitz ist oder bei einer am Sitz abgewinkelten Basis erfolgt die Abstützung an der Rücksitzlehne bereits bei kleinerem Kippwinkel. Damit stellt sich nun die Frage bei welcher Auffahrgeschwindigkeit diese Beschleunigung und dadurch das Kippen des Sitzes erreicht wird.
Kippen bei Beschleunigung von 1,9 g durch auffahrendes Auto
Wann wird das Kippen durch diese Beschleunigung, die 1,9-fache Erdbeschleunigung erreicht? Die auftretenden Beschleunigungen auf das Kind hängen von vielen Parametern ab z.B. von Aufbau, Struktur und Massen der Fahrzeuge, von evtl. Höhenunterschieden zwischen den Fahrzeugen, insbesondere von den Geschwindigkeiten oder ob das vordere Fahrzeuge bereits steht. Klar ist jedoch, dass diese Beschleunigung selbst bei leichten Auffahrunfällen, schon bei einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h des Auffahrenden erreicht wird.
Selbst eine Freizeitpark- oder Rummel-Attraktion, wie dem Sky Shot, die Kugel die durch gespannte Seile in die Höhe schleudert, erreicht diese Beschleunigungen von 18 m/s² (2-fache Erdbeschleunigung).
In einem veröffentlichten Bericht zur Insassenbelastung bei Auffahrunfällen betrug die Beschleunigung bis 29 m/s² (3-fache Erdbeschleunigung) bei einem Heckaufprall, 100 % Überdeckung, Winkel: 0°, Fahrzeuge ungebremst: Ein Audi A4 (B5) fährt mit 20,2 km/h ungebremst einem stehenden Jeep Grand Cherokee (ungebremst, kein Gang eingelegt). Quelle: Dr. Werner Gratzer zertifizierter Sachverständiger, Insassenbelastung bei Auffahrunfällen.
Abschließend werden zwei beobachtete Komfort Schwachstellen beschrieben.
Dynamik am Beispiel eines Kindersitzes durch einen anderen auffahrenden Verkehrsteilnehmer.
Fehlende Beinfreiheit für das Kind, eine eingeschränkte Zwangsposition. Die Pebble-Kinderschale ist in waagrechter Stellung. Die Beinfreiheit nach rechts ist durch die Rücksitzlehne begrenzt.
Komfort Schwachstelle: fehlende Beinfreiheit für das Kind, eine eingeschränkte Zwangsposition
Unser Kind ist gerade am Übergang, 9 Monate alt, es kann aber noch nicht selbständig sitzen. Laut Anleitung soll die FamilyFix-Basis nach dem Einrasten gegen den Rücksitz geschoben werden. Problem ist dann eben die fehlende Beinfreiheit. Das Kind liegt in der waagrechten Stellung zusammengepfercht zwischen Rücksitz und der Babyschale. Es muss während der Fahrtzeit mit angewinkelten Beinen liegen, für das Kind in diesem Alter keine natürliche Haltung und fühlt sich entsprechend unwohl.
Komfort Schwachstelle: Wärmestau durch fehlenden Luftaustausch in der Schale
Die Kunststoffschale ist gut gepolstert, hat aber keine Lüftungsschlitze. Dadurch ist in der Schale kein Luftaustausch, keine Luft-Zirkulation möglich. An heißen Sommertagen ist der Kinder-Rücken dadurch nassgeschwitzt, die Klimaanlage des Fahrzeugs wenig hilfreich.
Isofix-Befestigung: Das Klick-System in Kombination mit dem Kindersitz
Das Einrast- oder Klick-System Isofix ist vom Montagekomfort sehr angenehm. Langjähriger Automotive und Luftfahrt-Erfahrung zeigt jedoch klar, dass jede Schnittstelle die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems reduziert. Verbindungen sollten dem Benutzer eine klare Rückmeldung geben, prüfbar, redundant/mehrfach ausgeführt sein. Beim FamilyFix System gibt zahlreiche Einrastungen. Zunächst verrastet die Aufnahmebasis FamilyFix im Auto und schließlich der Kindersitz auf der Aufnahmebasis. Die Hersteller können hier zwar erfolgreiche Frontal-Crashtests vorzeigen. Um diese Ergebnisse zu erzielen, muss der Sitz jedoch zuverlässig eingerastet sein. Genau das ist meines Erachtens im Alltagsbetrieb nicht immer sicher zu stellen und vor allem mit dem schweren Sitz schlecht kontrollierbar. Ein Fehler kann unbemerkt bleiben. Fehlerursachen können Fehlbedienung, Beschädigungen oder verschmutzte schwer-gängige Aufnahmen aber auch Mängel in der Herstellung sein. So ist es wenig verwunderlich, dass es genau dazu auch schon Rückrufe gab (inzwischen ausgemusterte MaxiCosi-Systeme, die vor der Kalenderwoche 09/Jahr 2010, Herstellerkennzeichen 09/10 hergestellt wurden).
Deswegen werde ich die FamilyFix nicht in Kombination mit dem Kindersitz verwenden, sondern einen neuen separaten Kindersitz kaufen. Im Vergleich ist die Gurtbefestigung zwar aufwändiger jedoch die zuverlässigere Befestigung des Sitzes und sehr gut kontrollierbar.